Prökuls hat wieder seinen Abendmahlskelch

Am Sonntag, den 5. Oktober 2025 fand in der Evang. Luth. Kirche in Prökuls der Erntedankgottesdienst statt, in dem die feierliche Übergabe des Abendmahlkelchs stattfand. Der Festgottesdienst wurde in litauischer- und deutscher Sprache vom Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Litauen Dr. h.c. Mindaugas Sabutis und dem Pfarrer der Evang. Luth. Kirchengemeinde Prökuls, Neilas Cijunskas gehalten. Vor Beginn des Gottesdienstes um 11 Uhr wurde der Abendmahlskelch zum alten Kirchplatz mit 81 Glockenschlägen getragen und dort am Altar von Linus Skwirblies dem Landesbischof übergeben, der diesen dann an den Pfarrer der Gemeinde übergab. Die 81 Glockenschläge sollten symbolisieren, dass der Kelch nach 81 Jahren wieder zur Prökulser Kirche zurückgekehrt ist. Danach ging es in die überfüllte Kirche zum Gottesdienst der u.a. vom Kirchenchor mitgestaltet wurde. Uwe Jurgsties berichtete über den langen Weg des Kelches und nach dem ausgeteilten Abendmahl aus dem übergebenen Kelch bedankte sich der Landesbischof für die Rückgabe. Der Landrat des Kreises Memel, Herr Bronius Markauskas, dankte in seiner Rede der AdM und deren Vertreter sowie der evangelischen Kirchengemeinde für die Pflege des kulturellen Erbes und jahrzehntelange Partnerschaft und Unterstützung der in der Heimat verbliebenen Landsleute. Danach waren alle Gottesdienstbesucher zu Kaffee und Kuchen im Gemeindesaal eingeladen. U.J.

Linus Skwirblies übergibt den Abendmahlkelch an den Landesbischof

vorne von rechts nach links: Landesbischof Sabutis, Linus Skwirblies, Pfarrer Cijunskas, Uwe Jurgsties, Landrat Markauskas

Uwe Jurgsties bei der Ansprache mit Linus Skwirblies

Der Prökulser Abendmahlskelch aus dem Jahr 1853/1854

Der Prökulser Pfarrer Martin Wannags flüchtete im Oktober 1944 Richtung Westen und kam über die Niederlausitz nach Schleswig-Holstein. In seinem Gepäck hatte er den Prökulser Abendmahlskelch. Zeit seines Lebens hegte er die Hoffnung, eines Tages nach Prökuls zurückzukehren und den Kelch wieder an seinen Platz in seiner alten Kirche stellen zu können.

Das war ihm nicht vergönnt, denn er starb am 26. Juli 1963 in Trittau in Schleswig-Holstein. Seine Witwe übergab damals den Kelch dem Trittauer Pfarrer Krausen mit der Bitte, den Kelch gemäß dem Wunsch ihres Mannes an eine österreichische Diaspora-Gemeinde zu geben.

So kam der Kelch als Gabe des schleswig-holsteinischen Gustav-Adolf-Werkes nach Lienz in Tirol.

Durch einen Bericht im Evangelischen Pressedienst erfuhren einige gebürtige Memelländer davon,. darunter der ehemalige Vorsitzende der Lübecker Memellandgruppe, Herr Lankowsky.

Man ärgerte sich gewaltig über den Bericht, denn darin schrieb man von einem Kelch aus einer „litauischen Gemeinde“ und Martin Wannags bezeichnete man als „litauischen Landpfarrer“.

Etliche Leserbriefe verlangten eine Berichtigung, dass es sich um eine memelländische Gemeinde und deren memelländischen Pfarrer handelt.

Die ehemaligen Prökulser Gemeindemitglieder freuten sich, dass der Kelch von ihrem Pfarrer Wannags gerettet wurde, fragten sich aber auch, mit welchem Recht er der Lienzer Pfarrgemeinde übergeben wurde.

Heinrich A. Kurschat, damals Redakteur unserer Heimatzeitung Memeler Dampfboot, nahm mit dem Trittauer Pfarrer Krausen Kontakt auf und einigte sich darauf, der Pfarrgemeinde Lienz für die Rückgabe des Kelches eine Entschädigung zu zahlen. Durch Spenden der Memelländer kamen schnell über 1.000,00 DM zusammen, die man den Lienzern übergab.

1966 kehrte der Kelch zurück und kam zunächst in die Memel-Sammlung des Reiss-Museums in der Patenstadt Mannheim.

Nach Auflösung der Memel-Ecke im Museum kam der Kelch in die Obhut der Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise (AdM). Im November 2003 hat die AdM den Kelch als Leihgabe dem „Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg übergeben. Nachdem die AdM ihr gesamtes Archiv im Oktober 2011 an die Simonaitytes Bibliothek in Klaipeda/Memel übergeben hatte, wurde vom Bundesvorstand der AdM beschlossen, die in Lüneburg befindlichen Leihgaben auch nach Klaipeda zu holen, damit sich alles an einem Ort befindet.

So kamen im April 2017 die sich in Lüneburg befindlichen Schützenketten und der Abendmahlskelch zurück in die Heimat der Memelländer.

Auf Wunsch der früheren und heutigen Bewohner und Gemeindemitgliedern von Prökuls hat der Bundesvorstand am 12. August 2025 beschlossen, den Abendmahlskelch an die evangelische Kirchengemeinde in Prökuls zurückzugeben.

Heute darf ich nun den Abendmahlskelch in die Obhut der evang. Kirchengemeinde in Prökuls übergeben.

 

 

Dankesworte des Landesbischofs Dr. Sabutis

Aus dem Kelch, den Sie aufbewahrt haben und nun wieder der Gemeinde Prökuls schenken, haben Tausende von Menschen getrunken. Viele von ihnen waren arm, viele hatten ein sehr schweres Leben, und alle waren von Sünden und verschiedenen Gebrechen geplagt. Doch gerade in den Worten Christi, in seinem Leib und Blut fanden viele Trost. Und selbst in den schwersten Zeiten, selbst als sie ihre Angehörigen sterben sahen und begraben mussten, als sie aus ihren Häusern vertrieben wurden, als sie sahen, wie ihr Leben zerstört wurde – fanden sie wahren Trost in Christus. Ich selbst habe viele ältere lutherische Gläubige aus Ostpreußen, aus Memelland, getroffen, die den Krieg und die Nachkriegszeit überlebt hatten und Gott für ihr Leben dankbar waren, dafür, dass der Herr ihnen in schwierigen Zeiten geholfen hatte. Viele von ihnen hatten viel mehr Hoffnung als ich, der ich nicht einmal einen Bruchteil ihrer Leidens erlebt habe.

Die Menschen, die vor achtzig oder hundertsiebzig Jahren hier gebetet haben, sind nicht weit weg. Sie feiern dasselbe Fest des Lammes unseren Herrn. Ihre Tränen sind getrocknet, sie werden nicht mehr von Schmerz, Verlust und Sünde gequält. Wir sind jedoch noch auf der Wanderung. Aber sowohl sie dort als auch wir hier sind, wie Jesus sagt, reich in den Augen Gottes. Denn in Christus sind wir Kinder Gottes, Erben seines Reiches.