Ludwig Rhesa

Ludwig Rhesa | ein preußischer Kure
VON HORST GLAß

Ludwig Rhesa, geboren 1776 in Carwaiten auf der Kurischen Nehrung, gehörte jenem Kreis von Hochschullehrern der Königsberger Albertina an, die sich nicht nur der Tradition des 18. Jahrhunderts verpflichtet fühlten, sondern über das vorhan­dene Wissen vergangener Zeiten auch neue Wege suchten. Noch bevor er 1791 seinen Weg nach Königsberg fand, hatte er auf der Kurischen Nehrung die Versan­dung seines Heimatdorfes erleben müssen, das – wie so manche andere Ortschaft – durch die urgewaltigen Sandberge auf ihren Wanderungen zwischen Haff und Ostsee verschüttet wurde. In der Pregelstadt, die dem Jungen lebenslang zur Heimat wurde, besuchte er zunächst die 1441 als Löbenichtsche Stadtpfarrschule gegründete Lehranstalt, die 1525 den Status einer Lateinschule erhielt. Mit dem Wintersemester 1794/95 begann er als mit­telloser Student seine akademische Ausbildung in den Fachbereichen Theologie, Orientalistik und Philosophie. Er besuchte auch die letzten Vorlesungen von Immanuel Kant. Während seiner Studienzeit wohnte Rhesa in dem von Profes­sor Georg David Kypke 1778 gegründeten und nach ihm benannten „Kypkeanum", das ständig etwas mehr als 10 Studen­ten beherbergte. Wahrscheinlich aufgrund dieser Zeit veranlasste Rhesa, dass sein Vermögen nach seinem Ableben als Stiftung für ein Studentenheim diente, dem Rhesanianum, dass in Königs­berg auf den Hufen 1854 erbaut wurde. In den Jahren nach seinem Studi­um wird von Ludwig Rhesa berichtet, dass er zunächst in Königsberg als Hauslehrer tätig war, bevor er von 1800 bis 1807 Garnisonsprediger in der Festung Friedrichsburg wurde. Noch während dieser Tätigkeit als Geistlicher promovierte Rhesa 1807 mit einer Arbeit über die Kant’sche Morallehre, um danach als Privatdozent an der Albertina tätig zu werden, bevor er 1810 Professor und Inspektor am Litauischen Seminar der Hochschule wurde. Wie es der Art der preußischen Könige entsprach, sich der Minderheiten besonders anzunehmen, erfreute sich das Seminar seit längerer Zeit des Wohlwollens des Monarchen. Nach seiner ersten Lehrtätigkeit an der Königsberger Hochschule trat Rhesa ab 1811 erneut in den militärischen Dienst, um schließ­lich als Brigadeprediger bis nach Frankreich der nachnapoleonischen Ära zu gelangen. Mit seiner Professur in Königsberg wurde Rhesa auch zum Direktor des Litauischen Seminars bestellt, wobei es ihm eine Herzensangelegenheit wurde, sich besonders für die Ausbildung von litauischen lutherischen Pfarrern einzusetzen. In dieser Position verfasste der Theologe, inzwischen auch zum Konsistorialrat der evangelischen Kirche bestellt, eine umfassende Arbeit zur Geschichte des Litauischen Seminars, in der er sich nicht nur mit der Verbreitung der litauischen Glaubenslehre in Litauen, sondern ebenso mit der Weiterentwicklung der litauischen Kultur im jungen preußischen Königreich beschäftigte. So ist es nicht verwunderlich, dass Rhesa, der schon zu Lebzeiten auch als Historiker und Dichter bekannt wurde, im Jahr 1820 ein zweibändiges Sammelwerk litauischer Volkslieder in deutscher Sprache Übersetzung herausgab, zu dem sich auch Wolfgang von Goethe in einem Brief an den philosophisch-poetischen Studentenzirkel der Albertina positiv geäußert hat. Bereits zwei Jahre vor dieser zweibändigen Volksliederübersetzung brachte der vielseitige Universitätslehrer das Hauptwerk von Christian Donalitius, geboren 1714 in Lasdinehlen im Kreis Gumbinnen, übersetzt unter dem Titel „Das Jahr in vier Gesängen" (Lit: „Metai") heraus. Bemerkenswert zur Person dieses evangelischen Pfarrers dürfte sein, dass er die litauische Sprache erst an der Albertina erlernte, um später als Geistlicher in dem als „Preußisch-Litthauen" benannten Landesteil tätig sein zu können, was freilich aktuellen litauischen Bemühungen widerspricht. Donalitius als Literaten dieser Volksgruppe darzustellen, der sich als Geistlicher der Toleranz verpflichte fühlte und keinerlei nationalistischen Gedanken anhing. Ludwig Rhesa, der am 30.August 1840 in Königsberg verstarb, fand auf dem alten Domfriedhof am Brandenburger Tor seine letzte Ruhestätte. An das verdienstvolle Leben diese Mannes erinnert nicht nur das Rhesanianum, sondern auch die Rhesastraße auf dem Hintertragheim, wo 1885 an seinem einstigen Wohnhaus eine Gedenktafel ihren Platz fand. Auf der Kurischen Nehrung in Schwarzort, in der Nähe des Landungssteges, erinnert eine Büste an Ludwig Rhesa, den preußischen Kuren.

aus MD-Nr.5-2005